KulturDiakonie

Rezension von Monika Fahrnberger in Singende Kirche 4/2024, S. 319f.

Bild: privat

Wissen Sie mit dem Wort „Kulturdiakonie“ anzufangen? Und wenn ja, könnte es sich dabei um einen zukunftsweisenden Weg für unsere Kirche handeln? Marius Schwemmer hat diesen Themenbereich als mögliche Chance für die Kirchenzukunft in den Blick genommen und so prominente Denker*innen dafür gewonnen, von jeweils ihrem eigenen Zugang her zu bedenken und zu beleuchten. Was dabei herausgekommen ist, ist ein rund 260 Seiten starkes Buch, das das Verhältnis von Kirche und Kultur in der heutigen Gesellschaft darstellt und beschreibt, welche Chancen darin gesehen werden können. Denn es ist wohl unbestritten, dass in der christlichen Botschaft viel Sprengkraft steckt, die die gegenwärtige Gesellschaft menschenwürdiger und gerechter, also mehr im Sinne eines guten Lebens für alle Menschen umgestalten könnte. Aber dafür muss in der Kirche ein Kulturbegriff zugrunde liegen, der sie als wirkmächtige Kraft in der heutigen Gesellschaft verstehen lässt.

Nach den einleitenden Autoren José Tolentino Kardinal Calaça de Mendonça OP, Marius Schwemmer und Gianfranco Kardinal Ravasi folgt der Beitrag von Ludwig Mödl, in dem er Kulturdiakonie als pastoral unverzichtbar darstellt und u.a. postuliert, dass die Kirche alle Kunstformen braucht und diese in höchster Qualität, um den Inhalten zu entsprechen, die sie vermittelt. Stefan Klöckner blickt auf biblische Stellen, die einen Weg dahin zeigen, wie Jesus selbst Kulturdiakonie gelebt hat und lässt auch andere Künstler zu Wort kommen, die ihre Erfahrungen mit Kirche in Texten verarbeitet haben. Vor allem fragt er sich, welche Kirche denn in für eine gute Zukunft gebraucht werden wird und wie die nötige Kurskorrektur vorgenommen werden müsste. Reinhold Bernhardt gibt einen Überblick über das Verhältnis zwischen Theologie und Kultur und votiert für eine Theologie, die den christlichen Glauben in einer säkularen Welt reflektiert und in Austausch mit den Kultur- und Religionswissenschaften steht. Wolfgang Beck setzt sich mit Homiletik an „Andersorten", an Orten, wo die Verkündigung selbst auf Gastfreundschaft angewiesen ist, auseinander – Orte, an denen heilsame Verunsicherung möglich ist. Friederike Dostal, die einzige Frau in der Runde, spricht von ihren Erfahrungen, wie Menschen in der Kunst und Kultur, in der sie leben, sich von Gott angesprochen fühlen und dadurch religiöses Interesse entsteht und Evangelisierung ermöglicht wird. Michael N. Ebertz stellt einen soziologischen Beitrag in die Sammlung, der Kulturdiakonie einerseits als Dienst an der Kultur, andererseits aber auch Dienst der Kultur sieht. Religion und Kunst sind demnach getrennte Welten, die füreinander Überraschungen einbringen können. Ralph Bergold sieht Kultur als Recht aller Menschen und diakonische Bildungsarbeit als Beziehungsarbeit, die in Solidarität das Leben der anderen fördert und stärkt. Bernhard Kirchgessner schließlich spricht von der Sehnsucht in den Herzen der Menschen, die Ausdruck des Ewigen und Transzendenten ist. Jakob Johannes Koch beschreibt kirchliches musisch-ästhetisches Engagement als systemrelevant durch das Leben von Systemtranszendenz. Kulturdiakonie in dieser Weise gelebt, wird erleben lassen, dass die Kirche ihre Krise überwinden kann. Ganz zum Schluss schließlich ist noch ein „Blick auf Kulturdiakonie von außen“ von Marc Grandmontagne enthalten, der in seinem Text einen kritischen Blick auf die Kirche in Deutschland wirft.

So viele spannende Ansätze in einem Sammelband vereint, Ansätze, die es sich mitzudenken lohnt, weil in ihnen zweifelsohne das eine oder andere Brauchbare für die Zukunft unserer Kirche enthalten ist. Und das gedankliche Mitgehen ist ja immerhin ein erster Schritt zum Weitergeben und Umsetzen. Oder etwa nicht? So möchte die Rezensentin dieses sehr „inhaltsdichte“ und ästhetisch gemachte (Einbandbild! Hardcoverausstattung!) Buch gerne noch als mögliche „Lektüre zwischen den Jahren“ und vielleicht hier und da passendes Weihnachtsgeschenk anempfehlen. Die vielen Blickwinkel bereichern das eigene Denken sehr.

Zur Zeitschrift Singende Kirche HIER.
Zur Vorstellung der KulturDiakonie HIER.

Weiter
Weiter

KulturDiakonie